Maria VMier   WWORRRKKSSS   i  txt

Alien / Care / Wall

Care

Kann ein Kunstwerk Sorgearbeit, Care sein? Aus der Perspektive der politischen Theorie wird in einem Grundlagenwerk aus den frühen 1990ern der folgende Ausschluss vorgenommen: „To play, to fulfill a desire, to market a new product, or to create a work of art is not care.“ 1 Mit diesem verallgemeinernden Statement scheint ein im weitesten Sinn klassisches Verständnis des autonomen Kunstwerks vorausgesetzt. Nicht miteinbezogen werden die seit den späten 1960ern beziehungsweise frühen 1980ern zu verzeichnenden ersten beiden Wellen der Institutionenkritik, auch im weitesten Sinn die damit verbundene Zunahme von performativen und feministisch-kritischen Arbeiten. Die genannten Tendenzen wurden besonders eindringlich in Mierle Laderman Ukeles Beschäftigung mit den Themenbereichen maintenance und care ab 1973 zusammengeführt. In ihrem manifesto for maintenance art 1969! proposal for an exhibition „care“ sowie über Performances, in denen sie „die Außen- und Innenbereiche des Museums mit einem Mopp, Wasser und Windeln“ putzte, wies sie auf üblicherweise verborgene, feminisierte und rassifizierte Zuteilungen der Putz- und Instandhaltungsarbeiten im Privaten wie in Museen hin.2

Die künstlerischen Zugänge zur Thematisierung der institutionellen Bedingungen sowie zum direkten Austausch zwischen Künstler*innen und Publikum haben sich seit den 1990er Jahren weiter vervielfältigt, man denke unter anderem an die Stichworte socially engaged artistic practice, relational aesthetics, diskursives Museum, new institutionalism, aktivistische Kunst und die zunehmende Verflechtung künstlerischer und kuratorischer Tätigkeit.3 In den Kontext solcher Tendenzen lässt sich auch die künstlerische, vernetzende, organisatorische Arbeit der in München lebenden Künstlerin Maria VMier einordnen, die an der Seite ihrer eigenständigen künstlerischen Arbeit steht – genauer gesagt, selbst eigenständige, aber nicht alleinige, künstlerische Arbeit ist.4

Seit 2013 leitet die Künstlerin zusammen mit Stefanie Hammann den Künstler*innenbuchverlag Hammann von Mier. Eine kleine Reihe bilden hier beispielsweise die künstlerisch queer-aktivistischen Arbeiten des Münchner Künstlers Philipp Gufler mit den Publikationen Projektionen auf die Krise: Gauweilereien in München (2014), I Wanna Give You Devotion (2017), Quilt #01-#30 (2020) und Lana Kaiser (2020). Im Sinne der Organisation von Veranstaltungen und Ausstellungen gründete und leitet VMier zusammen mit Jan Erbelding und Leo Heinik Ruine München als „nomadic artist-run space with publication series“,5 zwischen 2019 und 2022 war sie außerdem im Komitee des städtischen Kunstraums FLORIDA Lothringer 13. Innerhalb dieses Engagements lassen sich die Formate Veranstaltung, Ausstellung oder Publikation kaum scharf trennen. Insbesondere aufgrund der Pandemie entwickelte sich für das FLORIDA Lothringer 13 Komitee das Magazin zu einem bevorzugten sozialen Raum. Der Titel von Ausgabe #7 des FLORIDA Magazins ist Sorge. Mehr als um ein bloßes Thema handelt es sich, so das Editorial, um eine Handlung und Haltung: „Es ist unser Anliegen, Stimmen von außerhalb Münchens mit lokalen Akteur*innen zu verbinden und neue Netzwerke der gegenseitigen Sorge zu erkunden.“6 Die beschriebenen Tätigkeiten VMiers innerhalb eines lokalen wie internationalen Netzwerks sind oder generieren vieles: Gastfreundschaft, Verbindungen, selbstverwaltete künstlerische Arbeit, Veranstaltungen und Aufeinandertreffen als Kunst, damit auch eine Verschiebung dessen, was Kunst ist. Ob diese Kunst aber immer ausreichend als solche anerkannt wird oder ob es sich nicht oft um eine leicht für selbstverständlich genommene, verdeckte, reproduktive Arbeit handelt, die oft von feminisierten und queeren Personen übernommen wird und unter prekären Bedingungen in einem Umfeld zwischen Neoliberalismus und staatlicher Kunstförderung stattfindet, ist eine andere Frage: sogar und insbesondere im reichen München. Ein kurzer Moment der Anerkennung dieser Form der künstlerischen Sorgearbeit!

Auf der Ebene etablierter Museen lässt sich die von Giampaolo Bianconi kuratierte Ausstellungsaktion Site Visit (2022) ebenfalls in die Bemühungen um eine Öffnung der Institution stellen. Die Ausstellung lief vom 8. März bis 8. April 2022 im Untergeschoss des Museums Brandhorst, München. Dabei waren einer durchgehenden Installation (Madeline Hollanders Sunrise/Sunset, 2021) vier wöchentlich wechselnden Installationen der in München arbeitenden Künstler*innen Helin Alas, Johanna Klingler, Robert Keil und Maria VMier gegenübergestellt. VMiers Installation Hi! ist als vierter Teil der Reihe vom 29. März bis 3. April 2022 zu sehen. Der begrüßende Titel scheint das Motiv des Haupttitels Site Visit weiterzuführen, indem eine Begrüßung, eine Öffnung zu einem Gegenüber stattfindet. Das gilt auch für die beiden Komponenten der Installation – Malereien, die von der Künstlerin als Companions bezeichnet werden, und Türklopfer, die den Titel Objects of Request tragen.7 Die kommunikative Tendenz, die wir bei VMiers kuratorischen Tätigkeiten kennengelernt haben, wird damit weitergeführt. Das ist umso bemerkenswerter, als dass es sich bei den Malereien und Skulpturen um Objekt-Werke handelt. Damit soll nun die eingangs gestellte Frage erweitert werden: Kann es sich auch bei einem objekthaften, scheinbar autonomen Kunstwerk um Sorgearbeit handeln?

Alien

Bei Hi! handelt es sich um eine Installation, die an der langen rechten Wand im Untergeschoss des Museums Brandhorst aus einer Nebeneinanderhängung von fünf Malereien auf großformatigen Papier sowie acht in Bronze gegossenen Türklopfern besteht. Malerei, Türklopfer, Malerei, Türklopfer, Türklopfer, Malerei, Türklopfer, Türklopfer, Türklopfer, Malerei, Türklopfer, Malerei, Türklopfer. Die langgezogene Nebeneinanderstellung suggeriert eine rhythmische Lesbarkeit, wobei die durch die architektonische Anordnung naheliegende Laufrichtung entsprechend einer Zeile (u. a. in lateinischen, griechischen und südostasiatischen Schriften) diejenige von links nach rechts ist.

Bei den Malereien wird der Eindruck eines Leseprozesses durch ihre Ausführung auf Papier verstärkt. Die riesigen Bögen erscheinen in leicht unregelmäßigen Größen vermutlich einer einzigen großen Rolle entnommen, sind an den Enden teils abgeschnitten, teils abgerissen, wellen sich, hängen teils hochformatig, teils im Querformat, einmal im zusammengefügten doppelten Hochformat. Die darauf in teils knalligen Farben (orange, gelb, blau, rötlich) angebrachten Linien, Striche, Spuren, Spiralen formen ungezähmte kalligrafische Versuche, eine geisterhafte, unleserliche Schrift. Technisch handelt es sich um Tuschen oder Pigmente, die mit Pinseln in verschiedenen Größen oder auch mit den Händen angebracht werden. Teils sind die Linien so brüchig-trocken, dass eine prekäre Materialität entsteht, eine kratzende Oberfläche. An anderen Stellen wiederum ergeben sich Verdichtungen, monochrome Kreise; zwar nicht schwarze Löcher, aber orangene Löcher, blaue Löcher. Teils überlagern sich mehrere Schichten in verschiedenen Farben, so dass ein Eindruck von Dreidimensionalität entsteht. Solche Verdichtungen sind tendenziell eher mittig denn um die Ränder konzentriert, so dass auch im Gesamtbild ein übergreifender Eindruck von Räumlichkeit entsteht – als fänden in der Mitte jeweils Explosionen statt, die sich zu den Rändern hin bewegen. Handelt es sich um ein jubilierendes Universum? Die Visualisierung von Sphärenmusik? Windows-Bildschirmschoner in dem Augenblick, in dem sie nah und groß erscheinen, bevor sie sich perspektivisch ins Nirgendwo verlieren? Fundamental ist in jedem Fall der Eindruck von Bewegung.

Sind die Malereien dynamisch, beweglich, knall-hell, geisterhaft, sphärisch, bieten die dazwischengeschalteten Türklopfer zunächst das genaue Gegenteil: eine dichte, schwere Objekthaftigkeit. Würden diese Türklopfer tatsächlich an einer Tür hängen, dann vermutlich an der schweren, uralten Holztür einer gothic, verwunschenen Villa. Für die Herstellung der Türklopfer besteht keine wiederverwendbare Silikonform als Vorlage, sondern sie werden in Wachs geformt und gegossen – die jeweilige Wachsform geht im Prozess verloren. Damit ist jeder Türklopfer ein Einzelstück, einerseits in Hinblick auf die Oberfläche, an der sich polierte und raue Stellen unregelmäßig abwechseln, andererseits in Hinblick auf Größe und Ausformung. Die Türklopfer erscheinen mit ihren unterschiedlichen Schwüngen und Verdichtungen nach innen hin in sich selbst eingewachsen, in eine Dunkelheit hinein, die für sich selbst sein will, die wir nicht berühren können. Dabei ist es dem Publikum durchaus erlaubt, sie anzufassen, anzuheben und an der Wand zu klopfen. Auch das verdeutlicht die unterschiedlich gearbeitete Materialität, denn das Tonspektrum reicht von dumpfen, schweren Tönen zu einem hellen klack-klack. Beim Ausstellungsbesuch hört man immer wieder ein vereinzeltes, sich gelegentlich überschneidendes Klopfen der Ausstellungsbesucher*innen an der Museumswand.

Der kontinuierlichere Rhythmus aber ist der nur implizite Rhythmus der Abfolge von Malereien und Türklopfern. Die Türklopfer werden zu dichten Zusammenziehungen der Kosmen, die in den Bildern explosiv auseinanderstreben. Der Rhythmus, den wir lesen, ist auch ein Herzschlag, als wäre diese langgestreckte Wand ein lebender, pulsierender Gesamtorganismus. Zum Eindruck, etwas Lebendem gegenüberzustehen, trägt die Gestaltung der Türklopfer bei, die an Organe, möglicherweise Herzen erinnern und in der Ausstellungsbeschreibung auch als Aliens bezeichnet werden. Einige vorhergehende Companions wiederum wurden schon in VMiers Ausstellung Zungen/Tongues (Artothek München, 2020) gezeigt. Zugleich erinnern die hellen Farben der Malereien an den feministischen Sci-Fi-Horrorfilm Annihilation (2018; Regie: Alex Garland), in dem eine Gruppe an Wissenschaftlerinnen eine schillernde, als „The Shimmer“ bezeichnete Zone, erkunden. Dabei handelt es sich um ein ständig mutierendes Alien-Environment, eine komplexe Vernetzung, die über den bürgerlichen Individual-Alien hinausgeht. Stehen wir bei Hi! einem ähnlich Environment gegenüber, ohne aber hineingehen zu können? Zumindest können wir anklopfen. Wessen Antwort erwarten wir? Wer lebt in oder hinter dieser Museumswand? Welche Formen von Beziehungen entstehen?

Wall

Knock knock. Klopfen wir, um bei den Gatekeepern des staatlich geförderten, neoliberalen Museums Einlass zu finden, Einlass zu fordern? In diesem Zusammenhang ist die Künstlerin Maria VMier sicher weniger als etablierte Vertreterin der Institution zu sehen, denn selbst als Anklopfende, als Vertreterin einer lokalen künstlerischen Community, die in München von den scheinbar globalen Institutionen nicht immer ernst genommen wird: Site Visit erhält in diesem Sinn einen schalen Beigeschmack. Dabei geht es nicht so sehr um den konkreten Fall, denn überhaupt um die Tendenzen eines entfesselten Kunstmarkts im 21. Jahrhundert, in dem der*die romantisierte, prekäre Künstler*in zum Blueprint für das idealisierte neoliberale Subjekt geworden ist: „For ideologists of neoliberalism, art’s highly motivated, individualistic and unregulated labor offers a compelling model for new forms of work in the service sector.“8 Gerade die Tatsache, dass die Türklopfer in der Ausstellung symbolisch bleiben, dass Ausstellungsbesucher*innen auch beim scheinbar interaktiven Klopfen nur gegen eine white wall stoßen, die sich nicht öffnet, erscheint insofern genau passend und richtig: Niemand antwortet! Hier gibt es keine Tür.

Knock knock. Vielleicht klopfen wir aber gar nicht, um Einlass zu finden, sondern um einen Ausgang zu finden – einen Ausgang aus einer Zone, in dem es leichter ist, sich das Ende der Welt vorzustellen, als das Ende des Kapitalismus.9 Die Vorstellung, dass es sich bei VMiers sphärisch geisterhaften Malereien um eine Darstellung des Endes das Kapitalismus handeln könnte, mag auf den ersten Blick vermessen klingen, beinahe wie eine Wiederkehr der bürgerlichen Kunstreligion auf der Suche nach Transzendenz.10 Wo diese Kunstreligion dazu führte, tatsächlichen Kämpfen in der Arbeitswelt und Gesellschaft auszuweichen, führt eine solche Kunstreligion schnell zum Konter-Revolutionären. Andersherum wäre aber die Annahme, dass Kunst ohnehin nichts von Gesellschaft und Kapitalismus versteht oder verstehen sollte, selbst ein ironisch-nihilistischer Endpunkt. Sie ist weder alles noch nichts. Lieber eine Kunst, die das Ende des Kapitalismus zeigt – wenn auch nur zeigt oder andeutet – als eine Kunst, die das nicht einmal versucht. Außerdem würde es sich gerade bei der Idee, dass das Ende des Kapitalismus nicht dargestellt werden kann, wiederum um eine verschleiernde Mystifizierung handeln. In diesem Sinne, warum nicht das Ende des Kapitalismus visualisieren, und warum nicht über explodierende Konstellationen, die nach außen hin gegen die Begrenzung des Bildes ankämpfen?

Knock knock. Vielleicht liegt die Schwierigkeit, sich das Ende des Kapitalismus vorzustellen, aber auch darin, dass die Formulierung dazu einlädt, sich dieses Ende als einen einzigen, absoluten Gesamthorizont vorzustellen. Eine realistischere Vorstellung könnte die sein, dass es schon jetzt verstreute Endpunkte des Kapitalismus gibt, oder zumindest Zwischenzonen mit unklarem Status: Zonen, die zwar zunächst auch kapitalistische Effekte sind, sich aber der reibungslosen Verwertung entziehen. Ein Beispiel könnten die Glitches, die Fehler sein, die Legacy Russell im Manifest Glitch Feminismus (2021) als Störungen des Systems in der digitalen wie der analogen Welt feiert.
Russell feiert die Abstraktion als Methode feiert, einer repressiven binären Körperpolitik zu entkommen:

Gender wird als Waffe gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt. Die Vorstellung von „Körper“ trägt diese Waffe: Gender umschreibt den Körper, „schützt“ ihn davor grenzenlos zu werden, die Unendlichkeit zu kennen und zu nehmen, sein wahres Potenzial zu verwirklichen. […] Dieser Glitch zielt darauf ab, etwas wieder abstrakt zu machen, was einem unbehaglichen, unzulänglichen Material aufgezwungen wurde: dem Körper. 11

Russells Konzept der Abstraktion eröffnet auch einen neuen Blick auf eine im 21. Jahrhundert praktizierte abstrakte Malerei wie die von VMier. Wenn VMier, wie beschrieben, viel mit der konkreten Begegnung von Körpern im sozialen Raum arbeitet, dann stellt die abstrahierte Begegnung von Hi! einen Ort dar, dem staatspolitisch aufgezwungenen Körper auch einmal zu entkommen, „grenzenlos zu werden, die Unendlichkeit zu kennen und zu nehmen“.12 Eine solche Setzung verläuft genau entgegen der Wiederaneignung des Körpers im Rahmen des second wave feminism, ist deswegen aber nicht weniger feministisch. Denn besonders als weiblich gelesene Menschen, nicht-binäre und trans Personen werden immer wieder brutal auf ihre Körper zurückgeworfen: über den männlichen Blick, über Fantasien und Spekulationen zu Genitalien, aber auch über die übermäßige Auferlegung oder Selbstauferlegung von schlecht- oder unbezahlter Orga- oder Sorgearbeit.

Ein zweiter Aspekt der Relevanz von Russells Forderungen für VMiers Arbeiten ist derjenige, dass Russell die digitale Welt nicht als sekundäres Phänomen gegenüber der analogen Welt betrachtet, sondern vielmehr Strategien aus der digitalen Welt auf die analoge übertragen will:

In Glitch Feminismus betrachten wir die Idee von Glitch-als-Fehler, die dem Reich des Maschinellen und des Digitalen entsprang, und überlegen, wie sie sich dafür verwenden lässt, die AFK [Away from Keyboard] Welt anders zu sehen, und Formen hervorzubringen, durch die wir an ihr teilnehmen können, um mehr Handlungsspielraum für und durch uns selbst zu gewinnen. Glitch Feminismus lässt das Internet als kreatives Material auf die Welt los. 13

Als Vorbehalt sei zunächst anzumerken, dass Russell wenig konkret auf Eigentumsverhältnisse – im Digitalen oder Analogen – eingeht. Wir rennen in beiden Welten eher mit Köpfen gegen Paywalls, als dass ein Türklopfer die weißen Wände zerschmettern würde. Was aber interessant an der These ist, dass die Glitches der digitalen Welt auch im Analogen auftauchen können, ist die, dass damit die analoge Welt selbst zu einem Effekt der digitalen Welt wird: zu einem Gesamtglitch des Digitalen. Diese Interpretation bewegt sich einen Schritt weg von Russells Manifest hin zu VMiers Arbeiten und zu der während der Pandemie beobachtbaren Tendenz von Künstler*innen, über materielle Arbeiten Erholung vom erbarmungslosen Bildschirm mit seinen Emailprogrammen, Spreadsheets und Zoom-Calls zu suchen. 14

Dabei handelt es sich nicht aber um eine bloße Rückkehr zum Materiellen, als gäbe es das Digitale nicht. Vielmehr erlaubt Russells Zugang, Diskussionen zu Medialität und Materialität überhaupt zu verschieben. In Bezug auf die Frage, was das Zeitgemäße an Malereien und Skulpturen wie VMiers ist, könnte nämlich damit argumentiert werden, dass das entscheidende Kriterium nicht die Frage ist, ob ein Werk digital oder analog ist, ob Pixel flimmern oder Pigmente aufgetragen wurden. Vielmehr zählt, ob neue Handlungsspielräume entworfen werden, ob eine Bewegung im Glitch möglich ist, ob das Ende des Kapitalismus absehbar erscheint oder nicht. Wenn solche Analysen aber beliebig auf jede abstrakte Malerei, jede abstrakte Skulptur angewandt werden könnte, wären sie bedeutungslos. In Hi! kommen die genannten Aspekte in einer besonderen Konstellation zusammen. Da ist die Verankerung in Maria VMiers gesamtem Werkkomplex, ihre Orga-, Vernetzungs- und Sorgearbeit. Da sind die Titel Hi!, Companions und Objects of Request, die beziehungsstiftend, öffnend wirken. Und da ist die beschriebene Tatsache, dass das Werk bei dieser Konstellation nicht so sehr in den einzelnen Komponenten besteht, als dass vielmehr ein abstrakter, lebender Gesamtkörper entsteht, eine pulsierende, lebendige, alien Wand.

Alien / Care / Wall

In dieser Gesamtkonstellation erscheint das Kunstwerk als Handlung und Beziehung, als Teil derer zwar keine konkrete Sorge-Arbeit ausgeführt wird, die aber zumindest die Möglichkeit von Sorge andeutet – und zwar zwischen abstrakten, entgrenzten Körpern – von Menschen, von künstlerischen Materialien. Im Vergleich zu früheren Werken der relational aesthetics with Tino Sehgals Gesprächsformaten, ist das Format ungleich offener: Es wird nicht vorausgesetzt, wer für wen sorgt, welche Arten von Körpern beteiligt sind, welche Arten von Gesprächen geführt werden könnten. Klar ist nur, dass es sich in der Beziehung Kunstwerk/Publikum um eine lebendige Beziehung lebendiger, vernetzter, aber nicht körperlich definierter Organismen handelt.
Die Künstlerin Maria VMier muss aber diesmal zumindest in Präsenz keine weitere Arbeit mehr leisten, kann sich im Sinne einer Automatisierung der Beziehungen während der Ausstellung zurücklehnen. Ich hoffe, sie liegt mindestens einen Glitch-Nachmittag lang irgendwo im schillernden Kosmos und sorgt nur für sich selbst – oder nicht einmal das, ist sorgenfrei.

written by Lisa Jeschke for the installation Hi! during the exhibition Site Visit at Museum Brandhorst , Munich 2022.


  1. Joan C. Tronto: Moral Boundaries. A Political Argument for an Ethics of Care. New York und London: Routledge, 1993, S. 104. 

  2. Franziska Brüggmann: Institutionskritik im Feld der Kunst. Entwicklung – Wirkung – Veränderungen. Bielefeld: transcript, 2020, S. 84. Zur Rassifizierung von Sorgearbeit im Bereich der Lohnarbeit schreibt Tronto: „In the United States, ‚cleaning up‘ jobs are disproportionately held by women and men of color.“ (Tronto, S. 113) 

  3. Zu den genannten Entwicklungen, siehe Janet Marstine: Critical Practice. Artists, Museums, Ethics. London und New York: Routledge, 2017, passim. Zu aktivistischer Kunst („activist art“), siehe Kim Charnley: Art on the Brink. Bare Art and the Crisis of Liberal Democracy. In: Gregory Sholette: Delirium and Resistance. Activist Art and the Crisis of Capitalism. London: Pluto, 2017), S. 1–16. Charnley merkt kritisch an, dass sich in der Kunstwelt einerseits ein „social turn“ (S. 2) vollzogen habe, zugleich aber die kapitalistische Fetischisierung des Kunstobjekts immer extremere Ausmaße angenommen habe: „the art market has, up to now at least, entirely avoided the effects of the crash of 2008. In fact, it has prospered: there is a boom in museum building and auction sales for contemporary art continue to rise.“ (S. 4) 

  4. Zu VMiers Einzelausstellungen, siehe: http://www.vonmier.com/cv.html, Zugriff am 8.6.2022. 

  5. Eigenbeschreibung auf https://www.ruine-muenchen.de, Zugriff am 3.6.2022. 

  6. FLORIDA MAGAZIN 7: Sorge. München, 2021, S. 5 (zum Heft habe ich selbst mit einem Lyriktext beigetragen). 

  7. Beide Subtitel gehen aus der Brandhorst-Ausstellung nicht hervor, zum Companions-Titel für die großformatigen Malereien, siehe aber Jan Erbeldings Begleittext zur Ausstellung Maria VMier und Paulina Nolte: In Praise of the Dancing Body. Galerie Françoise Heitsch, München, 27.1.–1.4.2022. Hier wurde eine andere Auswahl aus der Serie ausgestellt. Die Installation im Brandhorst ist nicht als forever feststehender Werkkomplex zu sehen, sondern als Präsentation bestimmter Arbeiten für einen bestimmten Kontext zu sehen. 

  8. Charnley, 10. 

  9. Siehe Mark Fisher: Capitalist Realism. Is There No Alternative? Winchester, GB, und Washington, USA: zero books, S. 1–2. Das erste Kapitel ist mit „It’s easier to imagine the end of the world than the end of capitalism” überschrieben, wobei die Phrase Jameson bzw. Žižek zugeschrieben wird.  

  10. Diese Suche ist nicht zuletzt deswegen problematisch, weil sie der Kunst und damit der Repräsentation (inkl. abstrakter Kunst) mehr zutraut als der Umgestaltung der Produktionsverhältnisse. Man erkennt hier den Glauben an die repräsentative Demokratie wieder, den Glauben daran, dass formale – nicht ökonomische – Umstrukturierungen genügen und daran, dass Repräsentation die Maximalforderung ist. 

  11. Legacy Russell: Glitch Feminismus. Ein Manifest. Übers. v. Ann Cotten, Barbara Eder, Franziska Füchsl, Mark Kanak, Jakob Kraner, Claire Palzer, Fiona Sironic, Lotta Thießen und Bradley Williams Cohen. Leipzig: Merve, 2021, S. 15–16. 

  12. Ebd., S. 15. 

  13. Ebd., 16. 

  14. Ein weiteres Beispiel sind die von der Medienkünstlerin Anja Kirschner mit Sharpie-Pen ausgeführten PATTERNS (2021). Siehe dazu Lisa Jeschke, „Immersion/Preparation. Anja Kirschner’s PATTERNS and SKINS“, in: Illiberal Arts, hrsg. v. Anselm Franke und Kerstin Stakemeier, Begleitheft zur Ausstellung, Berlin 2021, S. 6 f. 

Paulina Nolte & Maria VMier: In Praise of the Dancing Bodies

Bodies nicht body. Nicht ein Körper sondern mehrere. Ein Körper tanzt, also mein Körper tanzt, der sich für sich selbst verliert irgendwo in der Masse, sich auf sich selber zurückzieht in die Bewegungen und Gegenbewegungen, in irgendwas, das auf irre Weise nicht ich ist, das aber direkt über meine Körperoberfläche entlang und von dort nach Innen diffundiert. Viele Körper tanzen und ich sehe Köpfe Arme Hände Schultern und restliche Oberkörper. Wie mir diese Wärme fehlt und wie mir manchmal diese tanzende Masse als beschützende, behütende Menge fehlt. Ihr Schweiß und die Gerüche, die zufälligen Begegnungen, Blicke, Berührungen. Die Vorstellung einer Masse an Körpern vor meinem inneren Auge, von der Sehnsucht gerendert, der Sehnsucht nach Nähe und Gemeinschaft, nach tanzender Individualität in einer Masse an eine Masse angeschlossen, die so sehr nicht Ich ist, in der sich alles verliert und wiederfindet. Die Ortlosigkeit emotionaler Überwältigung – umfassend. Was sich um mich legt, was immer ist.

In Praise of the Dancing Bodies.
Ausschweifend, überbordend, Vielsein.

Barock
Antimodern

Wir lachen natürlich auch bisschen, googeln Barock und finden das doch ziemlich passend.

Barock. Vielleicht weil eh momentan alles zuviel scheint. Seit Monaten hab ich das Gefühl jetzt dann gleich müsste der Punkt kommen an dem sich das dann auch äußern kann, dass alles für mich, sich um mich mehr und mehr anhäuft, noch mehr wird, überhandnimmt und so wie in Filmen, warte ich auf eine Welle oder Explosion oder wie in der Musik, warte ich darauf, dass der Bass Drop kommt, der Synthi den höchsten Punkt erreicht und von dort aus dann endlich die Ahnung zerhaut, diese in Bestätigung wandelt – farblich, klanglich, alles; physisch psychisch sichtbar spürbar und dem Vielzuviel greifbare Form verleiht. Ich wünsch es nicht, aber ich sehe auch nichts. Alles wird nur mehr und mehr, häuft sich an in mir um mich, und alles scheint dabei wie immer.

Barock. Vielleicht weil der Begriff die eigenen Widersprüche auch schon einschließt. Wie viele Gespräche haben wir schon zu dritt, Paulina, Maria und ich oder in anderen Konstellationen geführt, über die uns doch oft sehr eng grenzgezogen scheinende Vorstellung von was Kunst sein soll und die wir immer wieder von außen auf unsere Arbeiten übertragen gesehen haben, bis diese Vorstellung selber in uns ankam. Was genau Kunst zu leisten hat, welchen Ansprüchen sie genügen muss, was professionell sein soll. Und wie das alles zu leisten wäre. Wie zu handeln zu kommunizieren zu malen wäre. Alles innerhalb gerader Linien. Dabei die ganze Fülle an Emotionen, Ausschweifungen, Pathos und Exzessen, aller Kleinkram und all der Kitsch unseres eigenen banalen Lebens abgekanzelt und ausgezirkelt. Alles, während an den Höfen die Profite unendlich steigen. We’re the 99%. Aber klar, die Dichtkunst, die barocke wusste schon: „Der wohlgesetzte fuß / die lieblichen gebärden / Die werden theils zu staub / theils nichts und nichtig werden/ [...]“ 1 Auch rome wasn’t burnt in one day. Klar.

Ich höre zur Einstimmung ins Barocke bisschen barocke Orgelmusik, skippe kurz durch sechs Lieder, entscheide mich dann nach 30 Sekunden doch für eher überladene elektronische Popmusik ohne Gesang aus den letzten zwei, drei Jahrzehnten, weil das hier muss ja für heute geschrieben werden.

Kein Zurück – alles wird nur immer mehr. Barock als emanzipatorisch gemeinte Behauptung Richtung Zukunft.

Layer und Schleifchen Schleifen Rüschen und Windungen Zwirbel und Zirkel, Rückkopplungen und überlagernde Netze, ausufernde Myzelen Rhizome Fraktale, Verbindungen Windungen Dehnungen und Deutungen. Die Katze aus Alice im Wunderland hat darauf jetzt eine sozialistische Partei gegründet. Cute. Dies und jenes, hier und da mal festschreiben, ab dann aber alles improvisieren.
Mädchenphantasiealarm! höre ich noch und die knarzenden hohlen Höhlen in denen die Augen der Moderne rollen. Das laute Knarzen ist wie so oft das Geräusch der ureigenen Angst vor diesem immer erneut, in jeder Zeit, in jeder Generation, jedes Jahr und jede Minute von außen an dich hin, dir vehement entgegengebrachten Vorschlag, doch auch mal wieder von den lange schon selbstgesetzt und mittlerweile allzu liebgewonnenen Dogmen Abschied zu nehmen. Antimodern zu sagen ist natürlich nie ganz einfach, aber es ist auch eine Behauptung, die ich gerne aufstelle und die genauso in die Zukunft zeigend emanzipatorisch gemeint ist, wie die Behauptung Barock. Sich allem wieder öffnen – nicht ohne Ausnahmen, nicht ohne Widersprüche – aber Vielem erstmal ohne Furcht. Antimodern sein, wenn Modernsein bedeutet, den Tränen abschwören zu müssen und der immer überbordenderen Fülle und den ganzen Schnörkeln und wenn Moderne bedeutet sich statt in alten Hierarchien, einfach nur in neue begeben zu müssen. No Linear Fucking Time.

Barock, Antimodern. Krumm und merkwürdig, ja sicher, das finden wir eh auch immer gut, aber sehr einig waren wir uns, wieder mal, bei der Auflösung der Genregrenzen, die dem Barock nachgesagt wird. Die Fülle an Tätigkeiten, die alle im Kunstmachen zusammenfließenkönnen.

Paulina Nolte: Performances und Videoarbeiten. Alleine (Desert of Unrest, The Half Woman Earth Theater) oder in Kollaborationen mit Anna McCarthy (What Are People For, Bloodless Boutique), mit Band, mit Chor und Bühne oder ohne – als Schauspielerin oder Musikerin oder Performerin. Rituale, Zeremonien, Feste, Blumen; Haute-Couture in der verfluchten Shopping Mall oder falsche Tränen beim Begräbnis.
Maria VMier: Zines und Texte und Gebrauchsskulpturen. Alleine oder in Kollaborationen, als Duo oder in immer neuen. Als Verlegerin für vielzählige Künstler:innenbücher (Hammann von Mier Verlag), als Kuratorin, Organisatorin von Kunsträumen (Ruine München und Lothinger13:_Florida), von Bars (Zur Einsamkeit) und von Festen – Maria, die Zeremonienmeisterin und Vorständin des großen Symposion zu Ehren des weiblich gelesenen Eros. Füllhörner gegen unsere Vereinzelung. Hier also überall künstlerische Konstellationen, die das Eingebettet-Sein und Verwoben-Sein unterstreichen, die ein Gemeinsames suchen und finden in der Kunst, in Kunst und allem was noch dazu gehören möchte. Und zwar politisch, als die konkrete Arbeit sich dem zu widmen, was man für notwendig oder wünschenswert hält2, die Arbeit auch an den Bedingungen unter denen Kunst entsteht und wie diese gesehen werden kann.

We form constellations. Our bodies are never isolated, are
always enmeshed in shifting patterns of relations. Scattered
across space our selves form patterns, trace connections
ethical but unseen. They give us consistency and form outside
of our solitude. When we make our connections material our
constellations take shape, become tactile, make worlds.3

In Praise Of The Dancing Bodies.
Bodies nicht body. Nicht ein Körper, sondern mehrere. Für Sylvia Federici sind rhythmisierte Bewegungen des Körpers, oder sagen wir, Tanz, eine Möglichkeit zu einer Sprache jenseits der Sprache (zurück) zu finden, eine Sprache, die unsere Körper sprechen und die wir in den Bewegungen wieder verstehen lernen können.
Die Sprache des Körpers im Tanzen finden. Das ist genau das, was ich an den Arbeiten bei Maria und Paulina so sehr schätze. In den Malereien und Zeichnungen der beiden manifestiert sich eine Sprache (eigentlich sind es jeweils unterschiedliche Sprachen), die ich nicht so sehr über mein Sprachzentrum, über die Worte verarbeiten kann, als über meinen ganzen Körper und seine anderen, so irre zahlreichen Möglichkeiten Wissen, Erfahrung, Kommunikation und was sonst noch herzustellen und zu speichern.

Maria VMiers Malereien sind in ihren Titeln oft als „Companions“, als Gefährt:innen oder Genoss:innen für unterschiedliche Situationen bezeichnet. „Companion in Doubt and in Failure“ beispielsweise. Die Zeichnungen sind dadurch immer auch als Begleiter:innen gedacht, als Unterstützer:innen. Was für mich eine direkte Verbindung herstellt und wodurch sich für mich das Bild vom schlicht zu rezipierendem Objekt löst und stattdessen auf seine eigenen Involviertheiten und Bedingungen hinweist und sich damit direkt sehr nett in mein Leben drängt.
Ich lasse mich ja gerne mitreißen auch von diesem crazy Fluss der Farben und den unaufhörlich sich ineinander verschlingenden Bewegungen im Bild, die dann hin und wieder doch kurz zusammenschmelzen, an Punkten sich ballen oder dort gerinnen, immer an den sonderlichsten Stellen im Bild. So strange. Oft sitzen die dann da, die geronnenen Punkte und Flächen und Flecken und sind teilweise, so vom Bildgleichgewicht her, für mich kaum auszuhalten. Farbflecken werden zu körperlichen Sensationen, zu physisch erlebten Intensitäten. Daneben und darüber geriebenes Pigment zur Tropfen und Schweifen übers Papier gezogen, schnell, so scheint es und alles mischt sich zu weiteren Wellen Explosionen auf weißen Grund. Spricht man in der Malerei von Leere? Warum spricht man überhaupt von was in der Malerei, wenn man doch die Malerei hat eigentlich? Immer habe ich das Gefühl irgendwas brennt oder stürzt ab in Marias Bildern, irgendwas schleppt sich schwer nach oben oder versucht noch zur Seite auszuweichen, aber kann nicht weg, gerät erst später im Bild dann doch ins Rutschen und Strudeln, verformt sich, teilt sich auf, verzweigt sich, bis ich mir selber wieder in den Zeichnungen verloren gehe. Es gibt die Wirbel und Wege denen ich folge, die mich reinsaugen und auswerfen und abblocken und von drinnen umlenken wieder woanders rein und rüber. Kann mich nie so wirklich ausschauen, nie fertig sehen an den Bildern. Vielleicht liegt’s weniger an mir, als dass die Bilder selber den Überblick verweigern. Das Wort Psychedelisch kommt mir in den Sinn. Die sehr großen Formate, teils als riesige Diptychen angelegt, sind zwar auch noch freundliche Companions, aber überwältigen und verschlingen mich ungefragt und vollständig. „Hi!“ und dann bin ich weg. In Marias Atelier höre ich wie der große Pinsel über die glatte Papierfläche schreibt, schwebt und streicht. Blau und Schwarz. Orange und Grün und Schwarz und Türkis. Maria tanzt über die Bilder, sitzt auf den Bildern, läuft über die Bilder, solange bis die Bewegungen in ihnen nicht mehr aufhören.

Die Zeichnungen von Paulina Nolte verschlingen mich weniger, als dass sie mich immer tiefer in ihren Kaninchenbau an Details reinlocken. Ein labyrinthisches Verirren ist das eher. Mit jedem konzentrierten Blick tun sich wie bei Fraktalen an den Rändern immer wieder neue Felder Figuren Formen auf, wechseln zwischen abstrakten leicht vernebelten Flächen und einer immer wieder so arg versteckten Figürlichkeit, dass ich beginne an meiner eigenen Wahrnehmung zu zweifeln. Alles wuselt, drängt und quetscht sich. Immer wieder zwängt sich was ins Innere des Bildes hinter das Papier oder presst sich aus dem Bild raus, zurück auf die Oberfläche. Organisches mischt sich mit Geometrischem. Es gibt nicht erkennbare, aber tanzende Buchtaben, Buchstaben die niemand kennt, Buchstaben in einer Sprache geschrieben, die uns unbekannt ist, einer Sprache die auch der Künstlerin unbekannt ist, Buchstaben die jetzt nur noch Form und Bewegung sein dürfen. Ihr seid frei jetzt! Buchstaben, die auf was verweisen, das jenseits unserer Ratio liegt, Buchstaben die etwas bezeichnen, das wir noch nicht wissen können, Buchstaben, eine unbekannte Oper singend, angeschlossen an etwas, das sich in die Zeichnungen gibt ohne erkennbar zu sein. Daneben gibt’s aber doch auch immer voll erkennbare Schleifen und Totenköpfe und Penisse. Es gibt Brüste und Fratzen, gruselige Tiere, Rüschen, Knorpel, Knochen und Blumen. Und Penisse. Aber vielleicht liegt das an mir. Von Rorschach ausgetrickst und dann von Freud verhaftet. Klar ist alles schon auch bisschen teeni-mäßige Symbolik, düster und traurig und sexy, hier aber im besten Sinne einer Verweigerung, die eigenen Fantasien und Sehnsüchte, die eigenen seltsamen Träume, Ängste und Lüste, als erwachsene Person, einem bürgerlichen Verständnis von Erwachsen-Sein gänzlich zu opfern oder diese diesem auch nur zu verheimlichen. Wir sind antimoderne Träumer:innen und Lüsterne, unser Leben ist nicht banal, sondern unser banales Leben ist politisch geworden. Dazu kommt in Paulinas Arbeiten immer auch eine sehr humorvolle Ebene, eine groteske und klamaukige teils, die dann schließlich doch aus der Darkness heraus leuchtet, bis beide (Light und Darkness) Paulina als „the warrior of feelings“ feiern.

In Praise of the Dancing Bodies zeigt als Ausstellung zwei großartige Künstler:innen, denen ich als Fan schon lange begeistert folge. ihren Ausschweifungen und Verschachtelungen. Dem Gang durch die unterschiedlichsten Level von Intensitäten bei Paulina in ihrer performativen und musikalischen Praxis. Die Arbeit an den unterschiedlichsten Level von Intensitäten in Form von Gemeinschaften und Räumen bei Maria VMier auch als konkrete politische Arbeit. Und natürlich folge ich immer extrem gerne der ekstatischen Arbeit beider Künstlerinnen am Bild, welche für mich, auch wenn ich mich immer gerne verschlingen und verirren lasse, nie getrennt von den anderen Tätigkeiten der Künstlerinnen zu begreifen ist, sondern immer als weiterer Ausdruck einer umfassend emanzipatorischen Praxis Richtung Zukunft. Als Betrachter:innen dürfen wir dabei, als immer schon Verwobene, zu Companions werden, in Doubt and in Failure, in dieser unserer aller Desert of Unrest.4

Text von Jan Erbelding zur Ausstellung In Praise of the Dancing Bodies in der Galerie Françoise Heitsch, München 2022.


  1. Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau. Vergänglichkeit der Schönheit, in: Gedichte aus Neukirchs Anthologie, Tübingen, 1961. 

  2. Michael Hirsch: Kulturarbeit. Hamburg, 2022. 

  3. am Friendship as a Form of Life. Issue two, 2016 in: https://friendship-as-a-form-of- life.tumblr.com/ (accessed 21.01.2022) 

  4. additional:
    Unicum. Die wichtigsten Merkmale des Barock. Todessehnsucht, Carpe Diem und Dreißigjähriger Krieg, 2019 in: https://abi.unicum.de/abitur/abitur-lernen/barock-merkmale
    Sylvia Federici. Beyond the Perifery of the Skin. Rethinking, Remaking and Reclaiming the Body in Contemporary Capitalism. Oakland, 2020.
    Kerstin Stakemeier. Entgrenzter Formalismus: Verfahren einer antimodernen Ästhetik. Berlin, 2017. 

Paulina Nolte & Maria VMier: In Praise of the Dancing Bodies

Bodies not body. Not one body but several. A body dances, as does my body. It loses itself somewhere in the crowd, withdraws in the movements and counter-movements into something that is strangely not me, but that lingers right above my body‘s surface and from there diffuses inwards. Many bodies dance and I stand rather on the outside, see heads arms hands shoulders and the rest of the upper bodies. How I miss the warmth and how I sometimes miss this dancing crowd as a protective, guarding body. Their sweat and their smell, the chance encounters, the exchange of glances, and touches. The idea of a mass of bodies in front of my inner eye, rendered by longing, the longing for closeness and community, for a dancing individuality in a crowd connected to a mass that is so much unlike me, in which everything is lost and found again. The placelessness is emotionally overwhelming – all-encompassing. What wraps itself around me, what always is.

In Praise of the Dancing Bodies.
Excessive, exuberant, the experience of the many.

Baroque
Anti-modern

Of course, we have to laugh a little, but we google the term Baroque and find it still quite fitting.

Baroque. Maybe because everything seems too much at the moment anyway. For months now, I have been having this feeling that the point where this will be able to manifest itself arrives at any moment. Everything continues to grow bigger around me, increases even more, and eventually takes over; just like in the movies, I am waiting for a wave or explosion, or like in music, I am waiting for the bass drop to come, for the synth to reach its highest point from where it finally shatters the suspicion, turning it into a confirmation instead – in terms of colour, sound, everything. Physically, mentally, and visibly perceptible, giving that which is too much a tangible form. I don't wish for it, but I don't see anything else either. Everything is accumulating, piling up inside and around me, and yet everything seems to be just the same, as always.

Baroque. Perhaps because the term already includes its own contradictions. How many conversations have the three of us – Paulina, Maria, and I – had, in this or other constellations, about the idea of what art should be, which often seems very narrow to us and which has repeatedly been imposed onto our work from the outside, until we have come to accept this idea ourselves. What exactly does art have to achieve, what standards does it have to meet, what is considered professional. And how all of this could be done. How to act to communicate to paint. All within straight lines. The full range of emotions, debauchery, pathos, and excesses, all the trivia and all the kitsch of our own banal lives are reprimanded and circled out. All the while, the profits are increasing indefinitely at the courts. We are the 99%. But of course, baroque poetry already knew this: “The well-placed foot / the lovely gestures / some of them turn to dust / some become void/ [...]” 1 Rome too wasn’t burnt in a day. Right.

To get in the mood for anything Baroque, I listen to baroque organ music for a while, briefly skip through six songs. Yet, after 30 seconds, I decide to listen to rather overloaded electronic pop music devoid of any vocals from the last two or three decades, because this has to be written for today.

No turning back – everything just keeps getting bigger. The Baroque as an emancipatory assertion towards the future.

Layers and ribbons bows ruffles and twirls and circles, feedback and overlying networks, sprawling mycelium rhizomes fractals, connections twists stretches and interpretations. The cat from Alice in Wonderland has now founded a socialist party. Cute. Write down this and that, here and there, but then improvise everything from then on. Girl fantasy alert! or so I hear, and the creaking hollow caves in which the eyes of modernity roll. The loud creaking is, as is so often the case, the sound of your very own fear that is vehemently brought to you over and over again, in each time, every generation, every year, and every minute from the outside. A fear that suggests saying goodbye to the dogmas that have long been self-established and become all too dear to you. To say anti- modern, of course, is never easy, but it is an assertion I would like to make and which, pointing to the future, is meant to be just as emancipatory as was once the Baroque. To open yourself up to everything again – not without exceptions, not without contradictions – but first of all without fear. To be anti-modern when being modern means having to renounce tears, the ever-increasing abundance and flourishes, and when modernity simply means to move into new rather than old hierarchies. No Fucking Linear Time!

Baroque, anti-modern. Crooked and strange, yes sure, we always liked that anyway, but once again we are very much in agreement over the dissolution of the genre boundaries, which is innately ascribed to the Baroque. An abundance of activities can all flow together in the making of art.

Paulina Nolte: performances and video works. Solo (Desert of Unrest, The Half Woman Earth Theater) or in collaboration with Anna McCarthy (What Are People For, Bloodless Boutique), with band, choir, a stage or without – as actress or musician or performer. Rituals, ceremonies, festivals, flowers; haute-couture in the cursed shopping mall, or faketears at a funeral.
Maria VMier: zines and texts and practical sculptures. Solo or in collaboration, as a duo or in ever new clusters. As a publisher for numerous artist books (Hammann von Mier Verlag), as curator, as organiser of art spaces (Ruine München and Lothinger13:_Florida), of bars (Zur Einsamkeit) and of festivals – Maria, the master of ceremonies and chairwoman of the great symposium in honour of Eros as read by women. Horns of plenty against our isolation.
So here are artistic constellations that underline the notions of embeddedness and interconnectedness everywhere, that look for and find something common in art, in art and everything else that might belong to it. Namely a political dimension, as a concrete process to devote oneself to what is deemed necessary or desirable 2, to work on the conditions under which art is created and how these can be perceived.

We form constellations. Our bodies are never isolated, are
always enmeshed in shifting patterns of relations. Scattered
across space our selves form patterns, trace connections
ethical but unseen. They give us consistency and form outside
of our solitude. When we make our connections material our
constellations take shape, become tactile, make worlds.
3

In Praise Of The Dancing Bodies.
Bodies not body. Not one body but several bodies. For Sylvia Federici, rhythmic movements of the body, or let‘s say, dance, are an opportunity to find (or return to) a language beyond language, a language spoken by our bodies, which we can learn to understand again in these movements.
To find the language of the body in dance. This is exactly what I appreciate so much in Maria’s and Paulina’s works. In both of their paintings and drawings, a language (actually these are both different languages) manifests itself that I can process not so much through my speech centre, through words, as through my entire body and its other, bizarrely numerous possibilities, such as knowledge, experience, communication and whatever else can be produced and stored.

Maria VMier’s paintings are often referred to in their titles as “companions”, as comrades or supporters for different situations. For example, “Companion in Doubt and in Failure”. This, for me, creates a direct connection and detaches the image from the commonly received object. Instead, it points to its own involvement and conditions, and by doing so, forces its way directly into my life in a very nice way. I also like to let myself be carried away by this crazy flow of colours and the incessantly intertwining movements, which occasionally melt together for a short instance, cluster at points, or coagulate, but they always do so in the strangest places in the picture. So strange. Often, they just sit there, these coagulated dots, surfaces and spots, and are sometimes, in terms of the picture’s balance, almost unbearable for me. Patches of colour become physical sensations, physically experienced intensities. Next to and above them, grated pigment is drawn across the paper, forming drops and tails, quickly, it seems, and everything blends further into waves of explosions on a white background. Does one speak of emptiness in painting? Why do we talk about anything in painting at all, when we actually have the painting? I always have the feeling something burns or falls in Maria’s images, something drags itself up or tries to dodge to the other side, but can’t get away. Only later in the picture does it slip and whirl, deform itself, split up, branch out until I get lost again. There are vortices and paths I follow, which suck me in and eject me, which block and then divert me from the inside to somewhere else again. I can never get enough or tired of looking at these pictures. Maybe it’s less on me than that the images themselves refuse to allow for a holistic view. The word psychedelic comes to mind. The very large formats, partly designed as huge diptychs, are also friendly companions, but overwhelm and devour me completely and unasked. “Hi!” and then I am gone. In Maria’s studio, I can hear the large brush writing, floating, and stroking across the smooth surface of the paper. Blue and black. Orange and green and black and turquoise. Maria dances across the pictures, sits on the pictures, walks over the pictures until their movements are self-perpetuating.

Paulina Nolte’s drawings don’t devour me as much as they lure me deeper and deeper down her rabbit hole of details. It is more like getting lost in a maze. As with fractals, with every focussed look, new fields figures forms appear at the edges, alternating between abstract, slightly foggy surfaces, and a figurativeness that is so strongly hidden that I begin to doubt my own perception. Everything bustles, pushes, and squeezes. Time and again, something forces itself into the centre of the picture from behind the paper or pushes itself out of the picture frame, back onto the surface. The organic blends with the geometric. There are unrecognisable but dancing letters, letters that nobody really knows, letters written in a language unknown to us, a language that is equally unknown to the artist, letters that now can only exist in form and movement. You are now free! Letters that refer to something that lies beyond our reasoning, letters that designate something we cannot yet know, letters that sing an unknown opera, connected to something that appears in the drawings but is not recognisable. But there are also always fully identifiable bows and skulls and penises. There are breasts and grimaces, scary animals, ruffles, cartilages, bones, and flowers. And penises. But maybe that’s me. Tricked by Rorschach and then arrested by Freud. Of course, all of this has a little bit of teen-like symbolism; dark and sad and sexy, but here in the sense of a refusal to completely sacrifice one’s own fantasies and longings, one’s own strange dreams, fears, and desires to the bourgeois understanding of what it means to be an adult or even to just hide these from it. We are anti-modern dreamers and desirous, our life is not banal but our banal life has become political. In addition, there is always a very humorous aspect in Paulina’s work, partially grotesque and goofy, which nevertheless ultimately manages to shine through the darkness until both (Light and Darkness) celebrate Paulina as the “warrior of feelings”.

In Praise of the Dancing Bodies is an exhibition showing two great artists that I, as a fan, have been following enthusiastically for a long time. Their debauchery and nestings. The course leads through the most diverse levels of intensities in Paulina’s performative and musical practice; and through Maria VMier’s work on the most diverse levels of intensities in the form of communities and spaces but also as concrete political work. And of course, I always enjoy following the ecstatic work of both artists on the image itself, which for me, even if I always like to be devoured and lost, cannot be understood separately from the artists’ other activities, but must always be seen as an additional expression of a comprehensively emancipatory practice towards the future. As viewers, always interwoven, we can become companions in Doubt and in Failure in this Desert of Unrest for all of us. 4

written by Jan Erbelding for the exhibition In Praise of the Dancing Bodies at Galerie Françoise Heitsch, Munich 2022.

Bibliography:


  1. Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau. Vergänglichkeit der Schönheit, in: Gedichte aus Neukirchs Anthologie, Tübingen, 1961. 

  2. Michael Hirsch: Kulturarbeit. Hamburg, 2022. 

  3. am Friendship as a Form of Life. Issue two, 2016 in: https://friendship-as-a-form-of- life.tumblr.com/ (accessed 21.01.2022) 

  4. additional:
    Unicum. Die wichtigsten Merkmale des Barock. Todessehnsucht, Carpe Diem und Dreißigjähriger Krieg, 2019 in: https://abi.unicum.de/abitur/abitur-lernen/barock-merkmale
    Sylvia Federici. Beyond the Perifery of the Skin. Rethinking, Remaking and Reclaiming the Body in Contemporary Capitalism. Oakland, 2020.
    Kerstin Stakemeier. Entgrenzter Formalismus: Verfahren einer antimodernen Ästhetik. Berlin, 2017. 

For Maria VMier. Review and Cheerleading Song

I am watching your fight from a different continent: working your way up ciphers and calligraphy into large formats. Stacks of paper in the studio, hundreds of letters, brush marks on white sheets. A free fall from disorientation into the surface, dive in, leaving a vortex behind you. Staying with the trouble, don’t duck away! The world, in crisis, and we – exceptional ignorant creatures. Painting – of all things abstract painting, without having any interest in formalism and not giving a hoot about the history of painting and beauty as a value-generating moment? Your paintings build themselves up into a pyramid and yell into the audience: Let’s go!

Cheerleading is an activity in which the participants cheer for their team as a form of encouragement. »Welcome to the Squad« – you’ll find components of tumbling, dancing, jumping, cheering and stunting, as well as different role models for each individual cheerleader, collectively forming complex formations. Cheering for the team’s spirit and the fan’s enthusiasm creates a sport of its own – a sport inside a sport, somehow self-referential and simultaneously reminiscent of painting. A good introduction.

Lips lick my tongue
clit lips, my song
touch lits my fun
eat me
drink me
make me
end me

(audio: https://soundcloud.com/k-s-724868466/cheerleadersong-mvm xtina2412 · Cheerleadersong für Maria)

I like the sexy parts in your writings. A resolute autoeroticism.

All the girls stamp your feet like this

I’ve read that Gwen Stefani wrote Hollaback Girl after Courtney Love had called her a »cheerleader«. A Hollaback Girl is a person responding appreciatively to unsolicited compliments (»cat calls«).

Few times I’ve been around that track
So it’s not just gonna happen like that
‘Cause I ain’t no hollaback girl
I ain’t no hollaback girl
This my shit, this my shit
This my shit, this my shit
This my shit, this my shit
This my shit, this my shit

I once positively reacted to your encouragement, which was kind of totally requested, since you accepted the invitation to visit my studio. »Krissi, I think these paintings are really good. Keep going, don’t care if nobody sees you, carry on until someone eventually does see you!« You’d buy me an ice-cold drink at Tip-Top Bar on Franklin Street, right next to the mural depicting Ol ’Dirty Bastards Food Stamp Card. Sitting on our bar stools, we sip slowly. Our sweat dries in the icy AC’s breeze, my elbows stick to drink residues on the countertop, our eyes follow the slow movement of the wall clock’s minute hand, its dial adorned with a portrait of Barack Obama.

Ich beuge mich weit hinüber. Ich hole aus.
Ich ziehe Linien ins Chaos der Geister.

Hey Maria, when you transform shapes from the world of the unknown into the visible world, are you a psychic?

NAAAAAAH!

Caution, an abrupt and inspiring anecdote: on the morning of January 1st, 2019 at the Polar Bear Plunge in Coney Island; a legendary benefit event, thousands of sea monsters storm into the Atlantic Ocean, holding hands. I see myself from above – in a swimsuit, wearing neoprene shoes on my sensitive feet and restrained between hundreds of bodies on the freezing sand. A marching band is playing, the icy wind transforms the shrill trumpets and drums into a noisy, diffusing wave. I swing along cautiously at first, then start shaking, up and down, clapping, forcing eye and body contact with strangers around me, loudly demanding the clearance of the beach section and finally, screaming frenetically, I lose myself in the moment; I run into the waves. I stumble into the ocean spray, fall and dive in with my face first, I swallow a good sip of seawater and fight myself back up to the surface between a Neptune, a leather dog-woman and the Metro-Card-Man. I feel hot. My cheeks are glowing.

Once again, an abrupt and dumbfounding anecdote: Wolfgang Ullrich’s »Believe in Art« sits on my bookshelf, unread. It’s one of the items I brought to New York for no reason, in a suitcase about to burst. I read into it and immediately came across a story of Julius Langbehn, aka »The Rembrandt German«, a culture-pessimistic and outspoken anti-Semite, who assisted his confidante, Momme Nissen in 1903 in portraying Pope Leo XIII in his last year of life. Both men observed the 93-year-old holding an audience and while Nissen paints, Langbehn holds the painting board, hands over what Nissen needs and cautiously whispers advice to him. After the work is finished, both speak with the Holy Father, they receive his blessing and eagerly announce »Je suis converti«. Leo, lively and joyously, comments »Ah Bravo«. Somehow, Langbehn is a cheerleader for the painter Nissen and for Rembrandt, whom he, in his main book, celebrates as a therapeutic leader of a cultural community hungry for national and spiritual identity.

Maria von Mier: »I will be at my exhibition ›Tongues‹ tomorrow between approx. 11am and 2pm. Let me know if you want to come by«. A photo shows a person sitting on one of the tongues. Another tongue-sculpture is photographed from above for the second picture. I can see this channel dividing the purple seating area into two narrow halves schmoozing each other. A handful of glass marbles sit in the gouge. I can’t differ between the beginning and the end of the bench and I don’t know in which direction the marbles move. I think of Globoli and these dogs with blue tongues and the tongue painter Chupa Chup lollipops. Now, in the summer heat, visitors may be wearing shorts or dresses and the marbles may be sticking to their thighs. Sitting on a stranger’s tongue in street clothes is a bit like turning a glass upside down on the uncleaned kitchen counter after washing it. Foreign tongues – the Bible mentions a xenoglossic event: supposedly, the apostles and their companions were filled by the Holy Spirit while attending a weekly festival in the city. Folks from different regions overheard them speak in their own languages. Maria says that this is usually represented by a tongue of fire over the apostle’s heads. I think I remember a painting in the Alte Pinakothek.

AAAAAAhhhh
EEEEEEhhhh
IIIIIIIIIhhhhh
OOOOOhhhh
UUUUUhhhh

You don’t even need a tongue to form vowels. Let me give it a shot. I roll the tip of my tongue all the way to the back of my oral cavity. The side parts roll up automatically. My tongue feels huge, a bit numb on the top and along the hem and super smooth at the bottom, like a newborn. I fold my tongue into a very small flesh package at the back of the palate. Then I open my mouth as wide as I can and say Ahh. The sound comes out in awkward waves from a cavity in my larynx, crawling over the top of the tongue. I stick my tongue out as far as possible and check which parts of my face I can lick (chin up about halfway, right cheek, left cheek and everything up to the tip of the nose). I wipe the saliva off my face with the top of my left forearm.

You all received the message. The earth will not keep up for much longer and we live in a capitalist and exploitative society. Only performance counts, resources and opportunities are not meant to be distributed equally. The gap is proven to be getting bigger, the profiteers need the losers to maintain or expand their status quo. Society was constructed by and for white men, its structure and its function is obsolete and inherently racist.

I own a book with poems by Martin Kippenberger. I have read it thoroughly and have wondered what parts were written while he was sober. In one sentence he says, in brackets »Maria, don’t stop painting, we need your images! Peter Horten«; I don’t exactly know why I had never heard of him. As I Google him, I am once again learning something new about German Schlager.

Wenn du nichts hast als die Liebe
Die die Nächte dir erfüllt
Brauchst du Antwort auf die Frage
Was bei Tag den Hunger stillt

Believing in art is so pathetic. The thought that art is somehow there for us, is such a perfect daydream. I also really like the film where Kevin Costner builds the baseball field for the ghosts and then out of nowhere, they suddenly appear: If you build it, they will come! A great film for a cozy Saturday evening, on the couch, with a fancy pint of Ben & Jerry’s ice cream. Are those your paintings hanging on the wall above that couch and looking down on Ben & Jerry’s ice cream melting on the tongues and gliding down the throats?

Im Negativraum der Welt formt sich der Gedanke zum Wort.
Im Negativraum des weißen Papiers bin ich ohne Vorstellung.

From remote NYC, Kristina Schmidt wrote a review of her friend Maria VMier’s exhibition Zungen at the Artothek, Munich 2020. First published at PW Magazin and printed as flyer to pick up during the exhibition.

When Adorno was writing his Aesthetic Theory in the 50s and 60s, he could still make the claim, now by all accounts obsolete, that the experience of art is akin to the experience of natural beauty. “Authentic artworks,” he writes, “hold fast to the idea of a reconciliation with nature by making themselves completely a second nature.” Although already wary of man’s subjugation of nature, Adorno still believed it was possible to find beauty, if not in nature, then in art that we experience as if it was nature. He would argue we find certain objects in nature beautiful because these present themselves in such a way that allow us to do so. Artworks are like a second nature because they also allow us to find beauty in them. Genius is nothing more than the creative principle by which this second nature can be produced.

Postmodern and especially feminist critique put this association of natural beauty with the beauty of art into question. While there might be objects that seem to engender claims of beauty, these are by large culturally determined by race, gender or class. Genius is not an innate principle but a historical concept, very much misogynistic in origin, that by definition excludes women from the production of art. So what would it mean to address natural beauty in art now? How can one as an artist approach the problem of nature?
These are some of the questions central to Maria VMier’s practice, and especially to the body of work she presents at GiG Munich, developed during her recent residency at a remote location in Uckermark, near Berlin. On the one hand, the reading she presents to us is a result of her research into the closely connected structures of patriarchy, capitalism and disenchanted nature, taking into account both feminist critique and postcolonial discourse. On site at Uckermack she would walk with her audience to various locations in the surrounding countryside to reflect on her relationship to nature while also referring to our current ecological crisis (the burning of the amazon, climate change denial and climate activism), the political consequences of capitalism’s belief in progress for postcolonial struggles in the global south and ecofeminist attempts to define the common as future sites of resistance. In her writing there is a Thoreau-like longing for a simpler existence within nature as well as the rejection of hipster or even non-western spirituality, tainted as it is by the colonial representation of the other.

On the other hand her drawings are not so dissimilar to the paintings by Wols that Adorno was writing about more than 60 years ago. Black, scarlet and sap green ink on paper, meandering and interweaving brushstrokes - these formal elements recall the conventions of lyrical abstraction and in their modernism seem to pursue the image of a second nature. But the work also acknowledges that if this image is to be achieved at all it must be done knowingly, the exhibition constructed in such a way to expose the dialectics involved in all our dealings with nature. The meandering arabesques of VMiers large drawings are done on paper more suited to digital printouts than the handmade; the delicate smaller works are pinned like specimens behind plastic covers; the shamanistic frame of drying stinging nettles is set above a shimmering floor of the same plastic sheeting that is used to kill weeds. VMier’s drawings pursue a second nature almost stubbornly, aware of all the historical, political and personal difficulties involved.

Text by Magdalena Wisniowska for the exhibition Vier at GiG Munich, 12.10 - 23.11.2019

Aufbau. Umbau. Anbau.

„Wer nach allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht.“
Das trifft Hammann&VonMier nicht. Ganz genau nicht. Nicht weil sie – Dichtung 1 – Politische Kunst produzieren würden. Nicht weil sie – Dichtung 2 – sich den Untiefen einer bestimmten Mediengattung überlassen würden.

Es trifft sie nicht, weil ihre Arbeiten nicht offen sind: ihre Künstlerbücher sind kein Service, Partizipation ist Peinlichkeit, die eigene Entwicklung das Einspielen von Rollenbildern. Hammann&VonMier sind nicht offen. Sie sind dicht. Ihr Portfolio startet mit einem Glossar: „Hochleistungskunst, Player, Setting, Training, Branding, Performance T, Overnight Highspeed Publication“. Eine Serie aus formalen Kategorien zur Selbstidentifikation. Der Pathos der Autonomie, der der Kunst anhängt seit sie sich aus dem Handwerk befreite, hat hier keinen Ort. Aber zum Handwerk wird auch nicht zurückgekehrt: Form kommt hier immer aus der Anwendung, aber ihre Anwendung ist immer autonom.

No Dichtung 1

Politische Kunst als Genre wiederholt die brutale Trennlinie die die Autonomisierung der Kunst einst durch die Erfahrungen der Künstlerinnen zog um ihre Kunst von ihrem Leben zu unterscheiden. Sie beklagt sie zwar – aber ganz autonom. Hammann&VonMier wiederholen die Trennlinie nicht, sondern exerzieren Kunst als angewandtes Leben durch. Sie reizen die Bloßstellungen des Trainings aus, wiederholen diagrammatisch ihr Setting, und stellen sich als Player auf, ohne ihre Arbeiten je als autonomes Ergebnis hieraus zu emanzipieren. Autonomie ist hier nicht das bekämpfte Privileg, sondern die Absurdität ihrer Sinnlosigkeit: präzises Ausagieren äußerlicher Vorgaben als autonome Anordnung.

Und Hammann&VonMier machen alles richtig: fahren nach New York, fahren nach Venedig, machen Residencies, Kollaborieren mit anderen Künstlerinnen, machen Studiovisits, checken Galerien, machen Bücher für/mit anderen Künstlerinnen. Aber die Politik ihrer Kunst ist keine institutionskritische Geste, sondern die faktisch internationale Allgemeinheit dieser Verhaltensform als Künstlerin: eine protokollarische Empirie gegenwartskünstlerischer Must-Do’s. Autonomie ist existentiell. Politische Kunst ist direktiv. Hammann&VonMier extrahiert aus den Protokollen des Künstlerinnenlebens das Unzielgerichtete, dass im vorgezeichneten Weg steckt, die Sinnlosigkeit die in diesen Protokollen liegt, dort wo sie nicht für die eigene Expansion zum Einsatz kommen. Und eben das sind Hammann&VonMier nicht, expansiv. Dadurch dass sie die jeweilige Form ihre Arbeiten von Außen nehmen, sie aber anschließend von ihrem Gebrauchswert oder Sinn abspalten und als Form neu füllen und konsequent vollenden, schaffen sie serielle Individualordnungen, nicht einen neuen, nicht einen Hammann&VonMier Universalismus.

No Dichtung 2

Die Medien der Kunst, ihre Gattungsgrenzen bringen eine Historie der Form mit sich innerhalb derer sich Fortschritt und Rückschritt unterscheiden lassen. Aber bei Hammann&VonMier entstand aus einer gemeinsamen Praxis in der Konzeption, Gestaltung, Materialität, Realisierung und Distribution von Künstlerinnenbüchern kein Verlag. Aus gemeinsamen Trainingsanordnungen und ihren Ausführungen entstand kein Performanceduo. Und aus architektonisch streng gezogenen Raumeingriffen entstand keine skulpturale Praxis.

Und doch bestimmt vor allem ein künstlerisches Medium immer wieder Hammann&VonMiers Einsatz. Denn von der ersten gemeinsamen Arbeit, 2012, der Wiederholung der Decke des Münchner Kunstpavillons in Papier inklusive der anschließenden Zerstörung ihres Fakes, bis zur Debütantinnenausstellung in der Akademie der Bildenden Künste München 2015, wird immer wieder Skulptur letztlich zum Eingriffsmedium. Denn immer dort wo „Hochleistungskunst, Player, Setting, Training, Branding, Performance T, Overnight Highspeed Publication“ Körperlich werden, in den Raum treten, verfallen sie in die materiellen Banalitäten ihrer konzeptuell so formal vorgegebenen Struktur.

Ein Wandstück eines geweißten aber dreckigen Akademieraumes wird mit einer peinlich genau gearbeiteten Hohlkehle versehen auf die ein Video projiziert wird. Es ist zu hell für das Video. In dem Video sieht die Betrachterin einen weiteren weißen leeren Raum, Hammann&VonMiers neues Studio. Zwischen den rahmenden Pfeilern rotieren dort elegante Formen zukünftiger Arbeiten im unklaren Bild, während im Akademieraum das Skulpturale drei andere Rollen übernimmt: fern davon im Zentrum des Aufbaus zu stehen, stellt es hier nichtsdestotrotz die zentralen Werke. Eine gekachelte Fläche mit dünner Bauholzplatte auf der die zur Eröffnung produzierte „3rd Overnight Speed Publication“ präsentiert ist. Die ungestrichene aber mit Kreide bemalte Oberseite der sonst reinweiß gestrichenen Verkleidung des Beamers und der von der Wand hängende Fahrradlenker eines Rennrades, ein silbernes, kaum gebogenes Rohr, dass umwickelt ist mit schwarzen Kordeln, mit schwarzem Stoff. Skulptur ist ebenso allgegenwärtig wie beiläufig. Ließe sich der Lenker noch als Werk analysieren, als Form, als Materie, als Kunstobjekt, treten die anderen beiden Objekte nur deshalb als Skulpturen auf, weil sie ihre Funktion übersteigen oder unterschreiten. Und auch der Lenker wird durch sein Umfeld in den Lifestyle seines Ausgangsmaterials zurückgezogen. Nur virtuell, nur im Film, lebt das reine künstlerische Medium, in der Zukunft, im neuen, eigenen Studio, dass allerdings unscharf bleibt. Sauber ausgestellt in einer Totalen aus Partikularismen. Und wieder stammen die Formen aus einem Funktionalismus und werden von Hammann&VonMier von diesem entfremdet, beiläufig autonom gemacht.

Yes. Dicht.

Hammann&VonMier produzieren eine Dichte die nicht um sich greift. Es gibt keine Entwicklungslogik, es folgt nicht ein Projekt aus dem nächsten, sondern jedes Projekt demonstriert die Möglichkeit des nächsten. Doch wo es ansetzt bleibt offen. Die Welt ist so voll von Form gewordenen Funktionalismen, dass exakt überall Funktionalismus Form werden kann. Auch deshalb besteht keine Trennschärfte zwischen den einzelnen Arbeiten. Sie gegen immer wieder in Serien über. Elemente tauchen wieder auf, aber sie wiederholen sich nicht, weil sie den Gebrauchswert die sie im einen Moment noch erkennbar an sich trugen, in der nächsten Aufstellung schon eingebüßt haben. Performanceanordnungen fallen bei Hammann&VonMier ins Skulpturale, ebenso wie ins Grafische. Und das Grafisches selbst verliert immer wieder seine Grenzen. Sieht man die Publikationen die Hammann&VonMier gemeinsam für Andere produzierten (Künstlerinnenbücher), für sich selbst produzierten (Beilagen zu Reisen und Ausstellungen) und mit Anderen produzierten (Overnight Speed Publication) einzeln durch, dann tritt in jeder von ihnen eine klare Formensprache in den Vordergrund. Kein typografisches Konzept, denn die Typographie läuft häufig skulptural durch den Seitenaufbau. Sie verhindert den Anschein eines perfektionierten Gebrauchswerts. Auch kein grafische Raster, denn das scheint sich als Spielaufbau ebenso zu verschieben und innerhalb der Publikationen an Eigendynamik zu gewinnen.

Sondern es ist eben diese Beweglichkeit, die sich in allen Produktionen von Hammann&VonMier wiederfindet. Dass kein Medium bei sich selbst bleibt, weil Funktionalismus und Autonomie fortgesetzt die Seiten tauschen. Dass jede Arbeit mit einem scheinbar klaren Gebrauchswert beginnt, und doch im Folgenden an dessen konsequenter Verschiebung gearbeitet wird. Der Gebrauchswert autonomisiert sich weil seine Form ihre Funktionalismus verliert.

Hammann&VonMier

Noch die Künstler/innensignatur kehrt zurück als entgrenzter Formalismus. Die eigene Identität wiederholt sich unablässig ohne etwas anzubieten, als zu sperriger Name überall hier im Text, als Schmuck am Finger und um den Hals der beiden Produzentinnen, im Performance T-Shirt, in der Signatur der Formate. Hammann&VonMier ist eine Marke die nirgendwohin offen ist, sondern in sich hineinholt, was Hammann&VonMier werden soll, und was in akribisch unwirtschaftlicher Genauigkeit anschließend sich selbst unähnlich gemacht wird. Bis es letztlich so autonom erscheint, dass es unwillkürlich zum Werk wird. Das es seine eigene Blickachse erreicht. Aber es könnte genausogut wieder aufgenommen werden, weiterduchgearbeitet, wieder von sich autonomisiert. Hammann&VonMier agieren in einem ständigen Output, der seine eigene Entwicklung scheinbar immer wieder auf Null zu setzen versucht. Immer wieder entfremden sie funktionale Anordnung von sich selbst. Nächste Funktionsform.

Text von Kerstin Stakemeier für Hammann von Mier, 2015

Construction. Reconstruction. Extension.

„Wer nach allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht.“ 1
This does not concern HAMMANN VON MIER. Not at all. Because they don’t—fiction 1—produce political art. Because they don’t—fiction 2—surrender to the depths of a particular medium. It does not concern them because their work is not open to all sides. Their artist books are no rendition of services, participation is embarrassment, their own development amounts to the serial practices of role models. HAMMANN VON MIER are not open. They are contained. Their portfolio starts out with a glossary: “Setting, Training, Branding, Performance T, Overnight Highspeed Publication”. A series of formal categories to enable self-identification. There is no place here for the pathos of autonomy, which has clung to art ever since it freed itself from artisanry. But here there is no return to artisanry either: form here always arises out of its application, but this application always remains autonomous.

No Dichtung 1 / No Fiction 1

Political art as a genre repeats the brutalism of that dividing line that was once drawn right through the lived experience of all artists, distinguishing their art from their lives. Political art does lament this distinction–but it does so autonomously. HAMMANN VON MIER do no repeat this dividing line, they exercise art as an applied life instead. They exhaust the exposure inherent in processes of training, diagrammatically repeating their settings and establishing themselves as players without ultimately emancipating their work from these processes to present an autonomous result. In this case autonomy does not appear as a privilege to be fought but presents itself within the absurdity of its pointlessness: a precise enactment of preset specifications as an autonomous arrangement.

And HAMMANN VON MIER are doing everything right: They visit New York, they visit Venice, take up residencies, collaborate with other artists, visit studios, visit galleries, publish books for/with other artists. However the politicality of their art is not a gesture characterised by instituational critique, but rather is owed to the factual international universalization of this behavioural pattern for young artists: a protocolary empiricism of the “Must-Do’s” of contemporary art. Autonomy is existential. Political art is directive. From the protocols of an artist’s life-form HAMMANN VON MIER extract the undirectedness that is buried within these pre-established paths, the futility inherent in these protocols, exposed whenever they aren‘t used to naturalize one’s own thriving for expansion. And this is exactly what HAMMANN VON MIER are not: expansive. By applying the respective forms of their works as something externally determined, but subsequently separating them from the face value or the purposes associated with those forms and instead consequentially completing their formal status, they create a serial but yet precise individual arrangement instead of a new, a HAMMANN VON MIER universalism.

No Dichtung 2 / No Fiction 2

The media used in art, the borders of its genres, entail a history of form in which progress and regress are distinguishable. However in the case of HAMMANN VON MIER no publisher was created out of their joint practices of conception, design, materiality, realisation and distribution of artist’s books. No performance duo arose from their joint training arrangements and implementation. And no sculptural practice was created out of architecturally strictly drawn interventions in space. And yet there is one artistic medium dominating HAMMANN VON MIER’s use. Time and again sculpture ends up being the interventionist medium of their choice, starting with their first joint work in 2012 (recreating the ceiling of the Münchner Kunstpavillon using paper, including the subsequent destruction of their fake) up until the Debütantinnenausstellung at the Akademie der bildenden Künste in Munich in 2015. Wherever “High Performance Art, Player, Setting, Training, Branding, Performance T, Overnight Highspeed Publication” acquire a physical dimension and enter a room, they elengantly lapse into the mundane materialisms of the formal structures they previously determined in such a conceptual way.

A piece of wall in a white yet dirty room at the Akademie der Bildenden Künste is furnished with a carefully made sweep onto which a video is projected. The room is too bright for the video. In the video the observer sees another white, empty room, HAMMANN VON MIER’s new studio. Between the framing columns, elegant forms of future works rotate in a faded image, while in the Academy room the trope of the sculptural assumes three other forms of appearance: far from being at the center of the setting, yet the sculptural yields this installation’s central works: we encounter. A tiled surface with a thin lumber board on which the 3rd “Overnight Highspeed Publication” is presented that was produced for the opening. The unpainted top side of the covering of a projector (that is yet containing chalk marks), otherwise painted entirely in white. The handle bar of a racing bike, hanging on a wall: a silver, slightly bent pipe wrapped in black cords, in black fabric. Sculpture here is as omnipresent as it is casual. And where a formal analysis as an artwork, as a specific form, a specified matter, as an object of art would be feasible in relation to the handle bar, the other two objects occur as sculpture merely because they exceed or undershoot their mundane function. The handle bar, too, is drawn back into the life style of its original material by its environment. The purely artistic medium lives only virtually, merely in the video, in the future, in the new studio which remains faded however. Neatly exhibited in a panorama of particularisms. And again the forms arise out of functionalisms, which are alienated, casually made autonomous by HAMMANN VON MIER.

Yes. Dicht. / Yes. Contained.

HAMMANN VON MIER produce a density which does not run rampant. There is no developmental logic, there is no case of one project following logically from the previous one. Each and every project demonstrates the possibility of the next one. But its starting point remains as yet undetermined. The world is so full of functionalisms becoming form that it is possible for functionalisms to become form exactly everywhere. That is one of the reasons why there is no sharp divide between the single pieces of work. Again and again they cross over into series. Elements reappear without repeating themselves because by the next exhibition they’ve already lost the functional value, which they’d been assigned at that moment. Performance arrangements merge into the sculptural just as they do into the graphical. And the graphical itself looses its boundaries again and again. If one looks through HAMMANN VON MIER’s joint publications one by one it becomes apparent that each one is characterised by a clear language of form. Typography often runs sculpturally through the pages. There is no graphical grid either since it seems to shift in its game development and gain momentum within the publication.

No, it is the mobility, which can be found in all of HAMMANN VON MIER’s productions. No medium remains isolated since functionalism and autonomy continuously swap sides. Each work starts out with a seemingly clear-cut utility value but subsequently is characterised by its consistent shift. The utility value becomes autonomous because its form looses its functionalism.

Hammann&VonMier

And yet the artists’ signature returns as a formalism without boundaries. Their own identity repeated incessantly without offering anything, as an unwieldy element everywhere in this text, as jewellery worn on the fingers and the necks of its two producers, on a t-shirt worn during a performance, or in the signature of the formats. HAMMANN VON MIER is a brand which is open to no sides, but insetad incorporates what should become HAMMANN VON MIER and what, with a meticulously uneconomic accuracy, will be made dissimilar to itself in the process. Until it finally appears autonomous enough to involuntarily become a piece of work itself. So that it attains its own perspective. However, it might just as well be picked up again, worked with further, again being made autonomous. HAMMANN VON MIER are acting out with a steady line of production which seemingly tries to relentlessly turn its own development level back to zero. Again and again they alienate a functional arrangement from itself. Next functional form.

written by Kerstin Stakemeier for Hammann von Mier, 2015


  1. German Anarchist Saying, literally “If you re open to all sides, you re leaking."